Pascal Mennen: Rede zur frühkindlichen Sprachförderung (Antrag CDU)

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TOP 28 – Antrag CDU: Sprache als Schlüssel zur Bildung von Anfang an stärken: Frühkindliche Sprachförderung neu denken!

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Kolleg*innen,

Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, und deshalb ist es gut, über dieses Thema zu sprechen.

Aber der Antrag der CDU setzt auf Zwang, Segregation, auf Bürokratie und neue Programme, statt vorhandene Strukturen zu verbessern. Und schon bei einer ganz grundsätzlichen Frage lässt mich Ihr Antrag ratlos zurück: Von welcher Form von Sprachförderung sprechen wir hier überhaupt? Sprechen wir von Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder von Entwicklungsverzögerungen im Sprechen, wie z.B. dem Lispeln oder Stottern? Das sind diametral andere „Diagnosen“, denen auch diametral anders begegnet werden muss. Hier bleiben Sie schwammig, und allein das macht den Umgang mit Ihrem Antrag wirklich schwer.

Lassen Sie mich dennoch kurz und knapp durch die beantragten Punkte gehen und erklären, was ich meine: 

Erstens: Die verpflichtenden Sprachtests im vorletzten Kitajahr.

Das klingt erstmal plausibel, ist aber völlig unnötig. Denn Sprachstandserhebungen gibt es bereits! Die Kitas dokumentieren die Sprachentwicklung der Kinder regelmäßig in Entwicklungsberichten, und spätestens bei der Schuleingangsuntersuchung wird die Sprachkompetenz standardisiert von externen Fachpersonen überprüft. Warum also noch eine zusätzliche Testung? Das schafft nur mehr Bürokratie, belastet Familien, stigmatisiert Kinder und erhöht den Druck auf die Erzieher*innen.

Zweitens: Die verpflichtende Sprachförderung von 240 Stunden.

Wer soll das leisten? Wir haben bereits einen Fachkräftemangel in den Kitas und Grundschulen. Wollen Sie Lehrkräfte aus den Grundschulen für den vorschulischen Bereich abziehen? Das ist vollkommen unrealistisch. Hinzu kommt, und dieser Punkt ist mir besonders wichtig: In diesem jungen Alter funktioniert Bildung nicht ohne Bindung. Den Kindern fremde Fachkräfte in einem separierenden Setting zur Sprachförderung gegenüberzusetzen, widerspricht allem, was wir aus der Bildungs- und auch Entwicklungsforschung kennen. Trauen Sie den Fachkräften der frühkindlichen Bildung das nicht zu? Das sind doch die Expert*innen.

Drittens: Mehr finanzielle Förderung für Sprachförderkräfte.

Niedersachsen hat bereits mit der Weiterführung der Sprach-Kitas ein starkes Signal gesetzt. Entscheidend ist jetzt, diese Förderung bürokratiearm und nachhaltig in die Kitas zu bringen, statt wieder neue Programme aufzusetzen, die viel kosten, aber in der Praxis kaum umsetzbar sind und im schlimmsten Fall auch noch auslaufen und entsprechend nicht nachhaltig sind.

Viertens: Evaluation von „Fit in Deutsch!”

 

Die hier von Ihnen geforderte Evaluation wurde bereits vom Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH Hannover (IES) in Kooperation mit dem Institut für Sonderpädagogik (IfS) an der Leibniz Universität Hannover im Auftrag der Landesregierung im Zeitraum vom 31.01.2020 bis 30.09.2022 durchgeführt, also als Sie noch mitregierten.

Fünftens: Der Ausbau der Fort- und Weiterbildungen.

Ja, das halte ich tatsächlich für eine sinnvolle Forderung. Aber wir müssen die Fortbildungen auch so gestalten, dass sie für die Fachkräfte machbar sind – und nicht als zusätzliche Belastung empfunden werden.

Sechstens: Ein durchgängiges Konzept zur Sprachbildung vom frühkindlichen Bereich bis zur zehnten Klasse.

Auch das ist ein grundsätzlich guter Ansatz, der aber auch schon in den vorhandenen Strukturen ausgebaut und umgesetzt werden kann.

Zuletzt noch eine ganz persönliche Einschätzung zu diesem Thema: 

Kinder haben die beneidenswerte Fähigkeit, Sprachen schnell und vor allem mühelos zu lernen. Damit das geht, bedarf es aber einer zentralen Voraussetzung: Die Kinder müssen sich in vertrauter und sicherer Umgebung befinden. Sprachförderung muss spielerisch und alltagsintegriert erfolgen und nicht als zusätzliches Pflichtprogramm, das Kinder aus der gewohnten Umgebung reißt und stigmatisierend von anderen Kindern trennt. Wir müssen sicherstellen, dass die Kitas gut ausgestattet sind und dass Fachkräfte die nötige Zeit und Unterstützung haben, um Kinder individuell zu fördern. Und wir müssen Mehrsprachigkeit als Chance begreifen, nicht als Defizit.

Ich freue mich auf den weiteren Austausch im Ausschuss. 

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