Pascal Mennen: Rede zur Mediennutzung in der Schule
TOP 28 – Rede zum rot-grünen Entschließungsantrag "Handys, Smartphones, Smartwatches - verlässliche Rahmen für die Mediennutzung für Schulen, Eltern, Kinder und Jugendliche erarbeiten“
- es gilt das gesprochene Wort -
Ich hatte mir heute vorgenommen, in der ersten Stunde der Sitzung mein Handy nicht zu nutzen. Nun, sagen wir so: Es gab dann doch zu viele "wichtige" Nachrichten, ich habe es nicht geschafft. Aber ich möchte die Aufgabe an Sie weitergeben: Wer von Ihnen mag, kann ja versuchen, die nächsten 300 Sekunden, so lang wird meine Rede dauern, das Handy in die kleine Schublade am Platz zu legen.
Warum fällt mir, fällt uns und fällt den Kindern und Jugendlichen das so schwer, eine Zeit lang auf das Handy zu verzichten? Ich habe mich darüber nicht nur bei meinen Schulbesuchen mit vielen an Schule Beteiligten auseinandergesetzt, besonders intensiv habe ich auch mit einem Psychologen und einer Psychiaterin darüber gesprochen.
Die Fakten aus der internationaler Forschungslage:
- Das Handy ist eine üble Dopamin-Maschine. Es produziert "Effortless Dopamine"
- Das bedeutet neurochemisch, dass die Ausschüttung von Dopamin, also dem Stoff, der mit Motivation, Belohnung und Glücksgefühlen verbunden ist, ohne Anstrengung erfolgt.
- Diese mühelose Produktion des Glücksstoffes sorgt für einen kurzen Peak, dem ein radikales Absinken des Dopaminspiegels folgt. Unter das Basis-Niveau.
- Eine Spirale kommt in Gang, die exakt aus der Drogenforschung bekannt ist, ganz speziell vergleichbar mit Kokainsucht.
- Die Folgen: Schlafstörungen, Leistungsabfall, Konzentrationsschwächen, Motivations-Defizite, daraus folgend Kraftlosigkeit, Isolation, Depression, Gefahr der Vereinsamung.
In einem groß angelegten Versuch hat eine Gruppe von Collage-Studierenden in den USA das Handy auf lautlos gestellt in der Tasche gelassen. Eine zweite Gruppe hat das Handy vor dem Gebäude abgegeben.
Gruppe 1 erzielte signifikant schlechtere Ergebnisse bei verschiedensten Aufgaben.
Heute, sagen die Forscher weltweit, ist Social Media der brutalste Treiber ins psychische Elend – und zwar für uns ALLE. Für den Bereich Schule zählt das gleichermaßen bzw. insbesondere. Und von Mobbing oder Pornografie, Sexting oder Gewaltdarstellungen insbesondere durch Social Media Alltag in Schule habe ich da noch gar nicht geredet.
Und nun? Genauso, wie ich bei einigen hier im Raum sehe, dass das mit dem Verzicht nicht klappt, so klappt es in unser aller Alltag nicht. Verzicht oder Verbot sind nicht die Lösung, wir sind uns da auch mit dem Landesschülerrat einig. Unser Ziel sollte es sein, dass Verständnis, Vernunft und Verantwortung ein Verbot unnötig machen.
Handys, Smartwatches und Co. sind alltäglicher Gebrauchsgegenstand geworden und Schulen haben damit einen extrem unterschiedlichen Umgang gefunden. So gibt es Schulen, die die Geräte der Schüler*innen genauso wie weitere Endgeräte in den Unterricht einbinden und KI aktiv nutzen.
An anderen Schulen haben Schüler*innen (!) erreicht, dass die Handys vor Unterrichtsbeginn eingeschlossen werden. Die Spanne ist riesig. Der Psychologe, mit dem ich gesprochen habe, geht sogar so weit zu sagen: Bei einer geheimen Abstimmung würde eine Mehrheit der Kinder FÜR eine Einschränkung in der Schule votieren. Die Spannweite ist riesig und doch verlangen viele Schulen klare Vorgaben und sind immer wieder verunsichert, was rechtlich in Ordnung ist und durchgesetzt werden kann und da wollen wir nun helfen.
Wir setzen deshalb in unserem Antrag auf drei wesentliche Aspekte:
Erstens kommen wir den Bitten vieler Schulen nach und stellen rechtlich geprüfte und pädagogisch sinnvolle Empfehlungen und Muster aus, damit nicht jede Schule diesen Aufwand hat und hierbei entlastet wird.
Zweitens wollen wir, dass die Regelauswahl oder -erarbeitung (je nachdem, wofür die Schule sich entscheidet) gemeinsam mit Schüler*innen und Eltern stattfindet. Wir müssen die Eltern und die Kinder mitnehmen. Ich kenne keine einzige Familie, in der das Thema Handynutzung nicht virulent ist. Und weil es so ein Dauerbrenner ist, müssen die Regeln an den Schulen auch regelmäßig überarbeitet werden.
Drittens wollen wir einen Blick auf die Kleinsten werfen. Schon in der Grundschule ist die Nutzung von Handys ein zunehmendes Problem, viele Kinder haben aber auch noch keines. Der Druck bei Kindern und Eltern ist groß, ebenso die Aufgaben bei den Lehrkräften. Hier wollen wir eine generelle Nutzungseinschränkung prüfen lassen. Die aktuelle laufende NDR-Umfrage ist da eindeutig, es muss aber auch mitgedacht werden, dass eine problematische Nutzung eher Zuhause stattfindet, Inhalte aber in der Schule virulent sind. Sehr gute Verantwortungskonzepte, die viele Schulen auf den Weg gebracht haben, dürfen nicht durch ein generelles Verbot rasiert werden, man muss differenziert auf das Thema gucken.
Und zusätzlich mache wir noch genau das, was der Landesschülerrat zum Thema fordert: Medienbildung. Steht nur in anderen Anträgen. Medienkompetenz beginnt bei den Kleinsten, im Kleinen mit diesen kleinen Geräten und wir wissen, wie wichtig sie ist.
Wir wissen auch, jede Schule hat ein anderes Konzept, auch mit diesen Geräten im Unterricht zu arbeiten. Geben wir den Schulen also Instrumente, die sie individuell einsetzen können.
Denn zur Wahrheit gehört ja auch, dass ich mich gleich auf meinen Platz setze und nach wenigen Augenblicken auf mein Handy schaue.
Moment: Es sind schon drei Nachrichten da.
Danke für Ihre - das meine ich jetzt überhaupt nicht vorwurfsvoll - sicher nicht ganz ungeteilte Aufmerksamkeit.